Jahresbericht 2015

Liebe Freunde unserer Stiftung 

Ich möchte mich bei Ihnen allen für Ihre Unterstützung der Arbeit der Stiftung “New Family” in Czernowitz/Ukraine bedanken und Ihnen über unsere Tätigkeit im Jahr 2015 berichten. 

Leider nimmt die Ukraine weiterhin die traurige erste Stelle in Europa und Zentralasien ein, was die Geschwindigkeit der Verbreitung von Drogenabhängigkeit und HIV/AIDs betrifft. Zu den „klassischen“ Gründen kommt heutzutage noch zusätzlicher Stress, ausgelöst von der kriegsähnlichen Situation im Osten des Landes, die das ganze Land beeinflusst, hinzu.  Dieser inoffizielle Krieg hat nicht nur über 8.000 Toten gebracht, sondern auch Dutzende Tausende Verwundete, ebenso viel Spannung, Leid und Not in die Familien, deren Väter im Osten weiter kämpfen oder in die Familien, die gezwungen sind, in andere Gebiete der Ukraine zu fliehen. 

Für die Bekämpfung von Drogensucht bietet die Stadt leider wenig oder gar keine Hilfe - es gibt andere Prioritäten. In diesem Vakuum arbeitet unsere Stiftung weiter.  

„Harm Reduction“- Programm

Unsere Tätigkeit umfasst mittlerweile ein weites Spektrum um das Thema Drogen-Konsum.

 Seit 2002 unterstützt uns die „International Alliance for HIV/AIDs“ bei der Realisierung des „Harm Reduction“-Programms in unserer Stadt. Wir organisieren Spritzenwechsel, bauen Berührungsängste ab und bauen Brücken zwischen Süchtigen und Behörden/Gesellschaft. 

Dank dieser Unterstützung können wir 3086 Drogensüchtigen (28% von ihnen sind jünger als 30 Jahre), die injizierte Drogen konsumieren sowie 896 Sexarbeiterinnen deren Alltag etwas erleichtern: Zugang zu ärztlichen Beratungen und medizinische Hilfe organisieren, sie sozial begleiten und für 78 KonsumentInnen auch Substitutionstherapie anbieten. Gerne besuchen unsere KlientInnen auch verschiedene Workshops und Trainings, die unsere MitarbeiterInnen für sie organisieren. 78% unserer KlientInnen haben Hepatitis C. 

Wir haben in den letzten Jahren einen großen Beitrag erbracht, um für diese Menschen eine entsprechende Behandlung zu verwirklichen. 

Tagesrehazentrum (TRZ)

Diejenigen KonsumentInnen, die die Dosis reduzieren oder sogar ein ganz drogenfreies Leben führen möchten, stellen wir unser Tagesrehazentrum (TRZ) zur Verfügung. Seit der Eröffnung unseres TRZ am 18.07. 2012 haben 486 KlientInnen unser Programm absolviert. Im 2015  betrug die Anzahl der TRZ-KlientInnen 266: 

2015  betrug die Anzahl der TRZ-KlientInnen 266:

-112 von ihnen sind 14 – 18 Jahre alt, 

- 39 sind Kinder und Jugendliche von süchtigen Eltern (2 im Vorschulalter),

- 7 sind Eltern, die süchtige Kinder haben und

- 108 sind KlientInnen, die älter als 18 Jahre alt sind.

Unter den KlientInnen des TRZ sind 4 Freiwillige von ATO (AntiTerrorOperation - offizieller Name vom „Kampf in Osten“) und 8 Kinder, deren Eltern in ATO weiter involviert sind. 

Oft hören wir die Frage: “Wie finden uns unsere KlientInnen?“ 

Hinter den oben genannten Zahlen steht immens viel alltägliche Arbeit mit und in der Öffentlichkeit. An der Straßen hängen „Citylights“, in den Schulen gibt es Information über unsere Arbeit, die MitarbeiterInnen halten Infostunden bei Lehrlingen in Berufsschulen ab (in 2015 vor 932 SchülerInnen der 8 Berufsschulen der Stadt), besuchen jeden Samstag die Polizei-Kriminalabteilungen für Minderjährige, wo gemeinsam mit Polizisten sie mit Jugendlichen und ihren Eltern reden.  Viele StudentInnen bringen ihre KollegInnen zu uns, sogar ein Schüler der 3. Klasse hat seinen älteren Bruder während der Schulpause zu Gesprächen mit unseren Trainern gebracht! 

Soziale Dienste der Stadt sowie Ärzte, Polizei und Kollegen aus anderen NGOs schicken KlientInnen zu uns. Und selbstverständlich Mundpropaganda: unsere KlientInnen empfehlen unser TRZ ihren Freunden und Bekannten. 

Alle unsere KlientInnen sind individuell. Jede/r hat ihre/seine eigene Geschichte. Aber bei Minderjährigen ist die Motivierung zu einem Programmbesuch viel schwieriger. 

Es ist nicht einfach, mit ihnen zu kommunizieren. Sie sind oft arrogant und aggressiv, erkennen keine Autoritäten an. Und keiner kann sie zwingen, zu uns ein zweites Mal zu kommen. Unser Programm basiert auf Freiwilligkeit. Nichtsdestotrotz haben wir mit Minderjährigen 153 Gruppen- und 233 individuelle Stunden durchgeführt. Außerdem haben sie bei uns Filme angesehen, machen mit unseren MitarbeiterInnen Trickfilme und bekommen bei uns auch soziale und juristische Begleitung.   

Eigenständig werden
Eigenständig werden

Wir unterstützen weiter Straßenfußball sowie Workout an einem Spielplatz der Stadt. Sport ist außerordentlich wichtig für Jugendliche.  In der Pubertät beeinflussen Hormone sehr stark den inneren psychischen Zustand mit Aggression  und innerer Unzufriedenheit. 

Gerade Sport unterstützt das zu korrigieren. In diesem Fall hilft ihnen unser Sportpädagoge sehr, der gleichzeitig auch Psychologe und Muhay-Thai-Trainer ist. 


Viele Jugendliche aus Familien, deren Angehörige Drogen konsumieren, haben Gewalt in der Familie erlebt. Auch die jungen süchtigen KlientInnen sind oft Gewaltopfer. Sie sind erfüllt mit Zorn und Aggression. Sie möchten sich verteidigen lernen und auch Widerstand leisten. Das ist meistens die Motivation zum Körper-kulturunterricht.

Muay-Thai hat seine Traditionen und einen Ehrenkodex, z.B. 

-             Hochachtung den Eltern gegenüber, die das Leben gegeben haben

-             keine Rache - Rache bildet neue Rache

-             seinen Zorn beherrschen usw.

Diese Traditionen regeln indirekt das Leben unserer KlientInnen, sie ändern sich auch dank der Sport- und Körperpsychologie. Sie lernen, eigenständig zu werden, Ziele zu setzen und sie zu erreichen, Straßenschlägereien aus dem Weg zu gehen und im offenen ehrlichen Kampf zu siegen. 

Im TRZ betreuen wir den Jungen S. bereits das zweite Jahr: Er ist ein gutes Beispiel, wie man sein Leben selbst neu gestalten kann: er hat begonnen, gut zu studieren - im Moment studiert er im Kolleg Jura; er ist zielbewusst, ordentlich und diszipliniert. Er kann siegen, aber auch würdig Niederlagen einstecken. Und er träumt davon, weiter an der Uni zu studieren…

Die älteren KlientInnen sowie die Elterngruppe haben die Möglichkeit, Sportstunden zu besuchen. Für sie bieten wir an ein leichtes aber effektives japanisches System nach K.  Nishi an.  Alle ohne Ausnahme haben viel Freude darauf. 

Diesmal waren in der älteren Gruppe des TRZ viele kreative Menschen. 

Auf dem Foto sehen Sie z. B. eine Schildkröte, die sie aus Autoreifen, Plastikflaschen usw. gemacht haben und einem Kindergarten geschenkt haben. Während der Therapie in unserem TRZ haben zwei von ihnen begonnen, Gedichte zu schreiben.

Zum Programm unseres TRZ gehört es auch, Fertigkeiten zu geben in der Gestaltung der Freizeit. So hat die ältere Gruppe im Rahmen des Freizeit-Programms einmal eine Buchpräsentation im Literaturcafé am Zentralplatz besucht. Die Eindrücke waren sehr stark; nicht nur von der Buchpräsentation, sondern auch von der Atmosphäre im Allgemeinen.

Spontan entstand die Idee, Gedichte der KlientInnen in diesem Café zu präsentieren. 


Ihr Projekt haben sie “TT” genannt: die Assoziation mit der Pistolenmarke TT ist die Verkürzung von “Twoja Terapiya” (Deine Therapie). Ich habe ein Foto der Information über den ersten Literaturabend im Literaturcafé beigelegt. 

Die Poesie hat ihnen geholfen, ihre Gefühle auszudrücken und zu befreien. 

Ihre Freunde aus der therapeutischen Gruppe haben eine Kunst-Theater-“Ampel” gebildet. Sie haben dafür selbst Texte geschrieben.

Das Foto zeigt die Szene aus dem kleinen Theaterstück über menschliche Beziehungen. Sie haben 6 Aufführungen durchgeführt. Eine Aufführung war z.B. im Gefängnis. Alle Teilnehmerinnen haben das Programm im TRZ abgeschlossen und bleiben clean. Die meisten von ihnen sind mit uns weiterhin in Kontakt und besuchen teilweise die Selbsthilfegruppen. 

die Szene aus dem kleinen Theaterstück
die Szene aus dem kleinen Theaterstück

Ein wichtiger Teil des Programms des TRZ ist die Arbeitstherapie. In diesem Jahr haben wir wieder die Möglichkeit gehabt, auf dem jüdischen Friedhof Czernowitz zu arbeiten.

6 Klienten arbeiteten dort von Juni bis Ende September. Vor dem Beginn der Arbeit haben die KlientInnen teilweise mit Familienangehörigen das jüdische Museum besucht und eine Führung durch den jüdischen Friedhof bekommen. Diese Informationen erweiterten ihre Kenntnisse über die Stadt und die Menschen, die die Geschichte der Stadt und die Stadt selbst gebaut hatten sowie auch über die jüdische Geschichte und Traditionen. Die KlientInnen haben die Aufgabe bekommen, mit den Eltern und Familienangehörigen über jüdische Nachbarn, Mitschüler und Bekannte zu reden sowie über deren Schicksale. Solche Erinnerungen erweckten Vertrauen in den Familien und waren auch für die Weltanschauung unserer KlientInnen sehr wichtig. Gleichzeitig hatten die Klienten ein Gefühl dafür bekommen, wie wichtig ihre Arbeit auf dem Friedhof ist. 

auf dem judischen Friedhof
auf dem judischen Friedhof

Im Sommer 2015 haben die KlientInnen zwei Parzellen in Ordnung gebracht: ein Massengrab von im Sommer 1941 ermordeten Juden und auch die Parzelle mit schönem Blick auf die Stadt.  Diese Parzellen wurden mit der Idee im Hintergrund ausgewählt, dass wichtige Stellen auf dem Friedhof nicht nur für Einheimische, sondern auch für Gäste der Stadt frei und zugänglich gemacht werden sollten. 

Da die zwei Parzellen völlig überwuchert und verwachsen waren, kamen die KlientInnen mit ihrer Arbeit nur sehr langsam voran. Wie diese Arbeit aussah, zeigt eines der Fotos.


 Oft waren die Werkzeuge kaputt und die KlientInnen selbst suchten Möglichkeiten, die Werkzeuge wieder zu reparieren. Arbeitszeit war von 08.30 bis 12.30 Uhr - dreimal die Woche: Dienstag, Donnerstag und Freitag. 

Die KlientInnen haben 0,5 ha gerodet.

Während der gemeinsamen Arbeit entstanden nicht nur freundschaftliche Beziehungen zwischen den KlientInnen, sondern auch ihre Vorstellung über den eigenen Beitrag zur Wiederherstellung der Geschichte der Stadt entwickelte sich weiter. Das hat auch Stolz auf die Stadt und lokalen Patriotismus bei den KlientInnen ausgelöst.  

Einige KlientInnen sind sogar am Sonntag, den 06.09.2015, zum Friedhof gekommen, aber nicht um zu arbeiten, sondern um bei Literaturlesungen im Rahmen des Poesiefestivals “Meridian Czernowitz” dabei zu sein. So eine positive Nebenwirkung! 

Die Arbeit auf dem Friedhof  hat den KlientInnen viele wichtige Fertigkeiten gebracht: Arbeit im Team, Verantwortung für Verpflichtungen und Werkzeuge zu tragen. Parallel haben die KlientInnen gelernt, ein Zeitgefühl zu entwickeln und den Tag zu strukturieren. 

Wichtig waren auch das Umgehen mit dem verdienten Geld: Planung, Priorität der Ausgaben, Schulden – und Kreditrückzahlungen. Alle haben mit dem verdienten Geld kleine Geschenke gekauft, was Mütter und Ehefrauen zu Tränen rührte. Es war auch sehr schön, über die Freude und Zufriedenheit von der Arbeit im Team zu hören.

Im Moment haben alle KlientInnen, die auf dem jüdischen Friedhof gearbeitet haben, erfolgreich das Programm des TRZ absolviert und eine fixe Arbeitsstelle gefunden. Weitere vier KlientInnen besuchen jetzt Computerkurse, was ebenfalls für eine zukünftige Resozialisation wichtig ist. 

Traditionell leben unsere KlientInnen nicht allein, sondern in Familien. Gemeint sind hier nicht nur eigene Familien. Bei uns leben oft 2 - 3 Generationen zusammen, mit den Eltern oder Großeltern. Die Beziehungen im Familienumfeld sind außer-ordentlich wichtig für einen stabilen Zustand unserer KlientInnen. Darum ist Kommunikation einer der Schwerpunkte unseres Rehabilitationsprogramms. 

In diesem Sommer haben wir wieder ein Familienseminar durchgeführt. Diesmal hat es in den Karpaten stattgefunden. Viele von unseren KlientInnen hatten davor noch nie die Stadt verlassen und darum war für sie die Reise selbst ein tief beeindruckendes Erlebnis. Wir haben ein Erholungsheim für vier Tage gemietet, wo wir allein waren, und konnten so ohne fremde Augen und Ohren offen die Probleme unserer KlientInnen bearbeiten. Und dazu noch vier Mal Verpflegung pro Tag! Insgesamt waren mit den MitarbeiterInnen 56 Personen beim Familienseminar. Gruppenarbeit, individuelle Therapie und auch Familientherapie in Verbindung mit schonender Arttherapie und herrlich friedlicher stiller Umgebung haben einen Start unserer KlientInnen in Richtung Verbesserung ihres Lebens erleichtert. In der Zwischenzeit, in der die Eltern arbeiteten, haben sich unsere MitarbeiterInnen um die mitgekommenen Kinder gekümmert: gespielt, gewandert, gebastelt usw. Viele von unseren KlientInnen haben für sich zum ersten Mal gemeinsame Tischspiele mit ihren Kindern entdeckt!

Und rund um das Jahr arbeiten wir weiter mit den Kindern unserer KlientInnen im Alter von 4 bis 14 Jahren: jeden Samstag von 10.00 bis 16.00 Uhr in den Räumen der jüdischen Schule mit einer Mittagspause im Café im Zentrum der Stadt. Sie sind in zwei Gruppen eingeteilt: jüngere und ältere. Wichtig: Vier Kinder haben dank der Nachhilfe durch Studenten-Volonteure in Englisch, Mathematik und Ukrainisch das Schuljahr mit “Auszeichnung“ absolviert. 

Wir versuchen, den Kindern eine Vorstellung über sinnvolle Freizeitgestaltung zu geben. Dazu gehören nicht nur verschiedene Meister-Klassen und Theaterbesuche mit den Eltern, sondern auch das Wecken von Interesse zum Leben ringsherum. So haben wir für die Gruppe der älteren Kinder ein weiteres Projekt im Sommer während der Schulferien durchgeführt. 

Der bekannte Czernowitzer Fotograf Serhiy Akhremenko hat für acht Jugendliche einen Fotokurs abgehalten. Seinerzeit hat er Biologie studiert, weiß sehr viel in allen Bereichen und ist daher ein sehr interessanter Gesprächspartner. Außerdem hat er selbst Kinder und ist sehr streng, was Disziplin betrifft. Gerade eine solche Art und Weise der Kommunikation fehlt bei vielen unseren KlientInnen. Und wir waren sehr froh, dass er Interesse an unserem Projekt und auch Zeit für unsere Jugendlichen gefunden hatte. 

Bereits die Kommunikation mit solch einer Persönlichkeit ist für Jugendliche viel wert. Die Idee war, den Jugendlichen nicht nur die Welt durch ein Kameraobjektiv zu zeigen, sondern auch Gefühle und Zustände erspüren und diese zu fixieren zu lernen, wie auch die eigene Schönheit und Einzigartigkeit. Letzteres ist sehr wichtig für die Jugendlichen, die sexuelle oder häusliche Gewalt erleben mussten. Sie hassen ihren Körper und meinen, dass sie nicht genug gut sind. 

Photoprojekt. Vertrauen
Photoprojekt. Vertrauen

Der Fotograf hat unsere KlientInnen fotografiert und danach Gefühle und Emotionen anhand ihren eigenen Beispiele als Lehrmaterial erarbeitet. Hier ist eines seiner Fotos. 

Seine Arbeiten sind bunt, mit den Jugendlichen hat er aber im Format schwarz-weiß gearbeitet. Wir haben Fotopapier und Chemikalien für schwarz–weiß Fotos gekauft, weil gerade schwarz-weiße Fotos Details ganz deutlich zeigen. Auch der ganze Prozess der Filmentwicklung ist spannend und lehrt Geduld. 


Die Jugendlichen waren in zwei Gruppen eingeteilt. Sie arbeiteten vier Stunden mit dem Berufsfotograf zusammen, danach haben sie dann zwei Stunden selbstständig Motive gesucht. Sie haben mit Licht und Schatten gearbeitet und die Welt der Emotionen mit Hilfe von Fotos entdeckt.  Sie haben gelernt, dass die heutige Mode der „Selfies“ in sozialen Netzen keine richtige Kunst ist. 

Sie haben Filme erhalten, um ihre Hausaufgaben zu erfüllen: die Stadt und die Familie sowie Freunde zu fotografieren. Und alle haben alltägliche Dinge mit anderen, “neuen” Augen gesehen. Um ein gutes Foto zu machen, muss der Fotograf eine gute Stelle finden, die richtige Beleuchtung, Hintergrund usw. Man sieht eine Situation von verschiedenen Seiten gleichzeitig. Diese Fähigkeiten sind auch im Leben für Kommunikation mit Menschen sehr wichtig, z.B. bei Konfliktlösung. Man sieht auch hier die Situation von verschiedenen Seiten…  

Während des Unterrichts haben die Jugendlichen mit teurer Technik und echten Profikameras gearbeitet (Vertrauen und Entwicklung von Verantwortungsgefühl). Serhiy hat dies aus eigener Initiative “riskiert”. Er hat den Jugendlichen sogar ganz teure professionelle Kameras anvertraut und zur Arbeit mit nach Hause gegeben. Er meinte, dass es sehr wichtig sei, von teuren Dingen nicht nur zu träumen, sondern auch einmal die Möglichkeit zu haben, diese zu benutzen, um Qualität und Feinheiten zu spüren. Wir alle waren sehr nervös, was mit diesen Kameras passieren könnte. Nach Aussage von Yulya war die Kamera der teuerste Gegenstand, der je bei ihr zu Hause war! Aber Gott sei Dank, alle Kameras hat der Fotograf in gutem Zustand zurückbekommen. Die Arbeiten der Jugendlichen kann ich im Moment leider aus technischen Gründen nicht zeigen, weil sie analog und nicht digital aufgenommen wurden. 

Wir verstehen alle gut, dass wir beim Programm „Harm Reduction“ und im Tagesrehazentrum mit den Folgen von Drogenkonsum arbeiten. Sehr wichtig ist, Kinder und Jugendliche zu informieren vor dem Moment, in dem Drogen angeboten werden. 

Nach 16-jähriger Erfahrung in der Arbeit im Drogenbereich haben wir festgestellt, dass Süchtige keine bewusste Einstellung zu ihrem Körper haben, was zu einem konsequenten Körpermissbrauch führt. Außerdem ist uns klar geworden, dass keiner der Süchtigen seine erste Dosis allein genommen hat, sondern nur um von jemandem anderen akzeptiert zu werden.

Darum finden wir es außerordentlich wichtig, die Kinder und Jugendliche zu lehren, den eigenen Körper und die eigene Gesundheit im Allgemeinen zu schätzen.

Schulprojekt

Unserer Meinung nach ist die Aufklärung über den Wert des Körpers und von Gesundheit in ersten Klassen nicht zu früh. Dazu kommt noch, dass sich gerade in dieser Zeit in der Klasse Freundesgruppen formieren. Darum ist der Aufbau von richtigen Beziehungen zu den anderen außerordentlich wichtig. Und je früher das die Kinder begreifen, desto sicherer und glücklicher wird ihre Zukunft. 

Die beste Vorbeugung ist die Förderung der Fähigkeiten und der Persönlichkeit der Kinder. Selbstbewusste Kinder, die eine positive Einstellung zu sich selbst und ihren Kompetenzen haben, die gelernt haben, Konflikte durch Verhandeln zu lösen, die ihre Gefühle und Bedürfnisse richtig einschätzen und verbalisieren können und es schaffen, sich negativem Gruppendruck zu widersetzen, können sich bewusst gegen Drogen und für eine gesunde Lebensweise entscheiden 

Schulprojekt im Sommer 2015
Schulprojekt im Sommer 2015

Diese Grundideen liegen in unserer Arbeit für die Schulkinder der Anfangsklassen der Schulen in Czernowitz als medizinisch-pädagogisches Antidrogen-Programm "Gesund sein macht Spaß".

Im 2015 haben wir in 28 Schulen (inkl. Heim für obdachlose Kinder) der Stadt Czernowitz gearbeitet. Während des Schuljahres arbeiten im Programm 9 MitarbeiterInnen. Die MitarbeiterInnen arbeiten in Paaren: eine Frau und ein Mann. Unser Programm haben wir um das neue Thema “Geld” ergänzt (Planung der Ausgaben, was erlaubt ist und was verboten ist zu kaufen usw.). 


Große Aufmerksamkeit schenken wir der Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen von Stress, der auf Grund der sozial-politischen Lage im Lande entstand. In vielen Klassen sind neue Schüler – Flüchtlinge aus der Ostukraine und Krim. Tests nach der Methode des schweizerischen Psychologen Max Lusher zeigen, dass diese Kinder erhöhte Aufregung haben. Die Kinder der Flüchtlinge adaptieren neue Umstände nicht leicht. Unser Programm haben sie früher nicht besucht und brauchen darum mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung von Seiten der Trainer. Gleich große Aufmerksamkeit brauchen auch die Kinder, deren Eltern im Osten der Ukraine kämpfen. Wir lehren die Kinder zu verstehen, dass wir alle verschieden sind. Wir lehren sie Zusammenwirken, die Besonderheiten von Mentalität der anderen zu achten, d.h. friedlich auf einem Territorium zu koexistieren.  

Mit Kindern aus dem Heim für obdachlose Kinder gibt es zusätzlich individuelle Gespräche, nicht nur Gruppenarbeiten. Für diese Kinder ist das Thema “Mobbing” viel breiter aufgestellt wie auch das Thema “Wo kann ich Hilfe bekommen”

Eine der wichtigsten Aufgaben des Programms ist die Arbeit mit negativen Anführern in den Klassen und die tiefere Arbeit mit diesen Schülern. Solche Kinder ersetzen langsam die Autorität der Eltern und sind später die Hauptautoritäten für MitschülerInnen. Im Moment sind 62 solcher Schulkinder unter unserer Beobachtung. Ihnen geben wir mehr Aufmerksamkeit, führen individuelle Gespräche nach dem Unterricht. Und die Anzahl der “positiven Leaders” wächst. 

Man kann über unsere Arbeit noch sehr viel mehr schreiben. Aber noch besser, wenn Sie einmal das alles mit eigenen Augen sehen. Jeder von Ihnen ist herzlichst eingeladen. 

Alles, was wir erreicht haben, haben wir nur dank Ihrer Unterstützung und Ihrem Vertrauen erreicht. Sie sind TeilnehmerInnen von allen unseren Projekten. Und wir sind irrsinnig dankbar dafür!

Unser TRZ arbeitet und entwickelt sich dank der Spenden von

-             Verein Confinis aus Wien

-             Sarah Dürmüller und Hans Neufeld Stiftung aus der Schweiz

-             Johanna Khan Stiftung aus der Schweiz

-             Stiftung de Clivo aus der Schweiz

-             Evangelische Gemeinde Coswig aus Deutschland

-             Ev. Kirchenkreisverband Berlin Nord-W.

-             Reisebüros EOL aus Deutschland “Marko der Pole” aus Polen und GAEA aus der Schweiz

-             Pfarrei Katzdorf aus Österreich

-             sowie zahlreiche private Personen aus der Schweiz, Österreich, Deutschland und Holland

Medizinisch-pädagogische Arbeit unterstützen unsere Freunde aus

-             der Stiftung Promedika Chur (Schweiz)

-             Hilde und Walter Motz-Hauser Stiftung (Schweiz)

-             Sarah Dürmüller und Hans Neufeld Stiftung (Schweiz)

-             Stiftung de Clivo (Schweiz)

-             Verein Lifeline (Schweiz)

-             Verein Confinis (Oesterreich).

Wir haben ein stürmisches Jahr hinter uns. Und doch blicken wir mit Hoffnung in die kommende Zeit. 

Ich hoffe, dass der Jahresbericht bei Ihnen Interesse findet und dass Sie einmal zu uns kommen, um unser Team persönlich kennenzulernen und unsere Arbeit näher zu sehen. Gerne stehe ich Ihnen für weitere Auskünfte zu Verfügung. Und wenn Sie uns nicht besuchen kommen können, wären wir auch glücklich, schriftlich oder telefonisch von Ihnen zu hören. 

Mit Dankbarkeit   

im Namen des Teams

 

Ihre Tanja Berezhnaya

Präsidentin der Stiftung „New Family“